Angefangen hat mein Leben ganz weit unten in Italien. Zuerst lebte ich auf einem Firmengelände. Wie ich dort hinkam und was mit dem Rest meiner Familie geschah weiß ich nicht. Futter bekam ich, wenn Jemand was für mich übrig hatte. Wenn keiner da war, dann gab es auch nichts. In Italien ist die Situation für Hunde nicht immer einfach. Und wenn man auf uns keine Lust mehr hat, dann werden wir einfach nicht mehr versorgt oder ausgesetzt oder kommen in ein Tierheim. Teilweise werden wir auch getötet. Wir werden erschossen, überfahren, tot geprügelt, vergiftet oder aufgehängt oder auch in einen Sack gesteckt und ins Wasser geworfen. Aber meist landen wir auf der Straße oder auch in einem Tierheim. Wenn wir dort nach einiger Zeit kein neues Zuhause bekommen, dann werden wir ausgelagert. Das heißt, wir kommen in ein anderes Tierheim, das überhaupt nicht heimelig ist. Die heißen Canile. Die Unterbringung dort ist ganz schrecklich. Wir haben keine Hütten, bekommen nur das nötigste zum Fressen und medizinisch werden wir auch nicht versorgt. Auch fehlt es oft an Wasser und Schattenplätze. Das ist vor allem im Sommer schlimm, wenn es heiß ist in Süditalien. Viele meiner Artgenossen sterben daran. Die Betreiber dieser Hundelager bekommen für jeden Hund Geld. Für jeden Tag im Jahr. Und damit machen die echt viel Kohle. Weil sie das Geld nicht für uns ausgeben. Und damit sich das so richtig rentiert, sind dort ganz viele von uns auf engstem Raum untergebracht. Das es dort auch zu Auseinandersetzungen unter uns kommen kann ist klar. Wenn dort Hunde sterben, werden sie durch neue ersetzt. Es gibt ja genügend in Italien. Wenn man in dieser Hölle gelandet ist, gibt es kaum eine Chance da wieder heraus zu kommen. Eine Vermittlung von uns ist nicht erwünscht. Denn das würde ja ein Mehr an Arbeit für die Betreiber bedeuten.
In Italien gibt es aber auch Tierschützer. Das sind sehr mutige Menschen, die mit all ihrer Kraft und Energie gegen diese Zustände ankämpfen. Und das ist echt nicht einfach. Teilweise leben sie auch in Angst, weil die Betreiber dieser Hundelager nicht wollen, dass sich da was ändert. Denn dann würden sie ja weniger Gewinn machen. Das kann man sich ganz einfach ausrechnen. Pro Hund bekommen sie zwischen 5 und 7 Euro pro Tag. Das Jahr hat 365 Tage und wenn da zwischen 200, 500 und teilweise bis zu 1000 Hunde sind, dann kommt da ein ganz schöner Batzen Geld zusammen. Ihr braucht nur mal nachrechnen.
Ich hatte Glück. Tierschützer, die mich sahen, konnten die Fabrikleute überzeugen und so durften sie mich mitnehmen. Das erste Mal in meinem Leben wurde ich freundlich behandelt. Ich bekam Futter, jeden Tag und Wasser und die Menschen in dem Refugio waren alle sehr nett zu mir. Refugio, so nennt man die privaten Tierheime in Italien. Alle dort meinten, so hübsch wie ich bin und mit so einer praktischen Größe würde ich ganz schnell ein richtiges für immer Zuhause bekommen. Aber es sollte noch über ein Jahr vergehen bis ich dann endlich adoptiert wurde.
Wahrscheinlich hat das Universum dafür gesorgt, dass es dauerte. Denn während ich auf mein neues Zuhause wartete, hatte meine Mom noch ganz viel zu tun und ich hätte gar nicht zu ihr können. Aber sie hat mich die ganze Zeit im Auge behalten. Vom ersten Tag an, wo ich auf der Vermittlungsseite war. Sie war damals auch überzeugt, dass ich sehr schnell ein Zuhause finden würde und wunderte sich, warum das nicht geschah. Als es endlich bei ihr ging und ich noch immer nicht vermittelt war, machte sie Nägel mit Köpfen. Und so kam es, dass ich mich eines Tages auf die Reise in ein neues Leben machte.
Ich fuhr also von ganz unten in Italien, die Gegend nennt man Kalabrien, über die Alpen, bis nach München. Die Fahrt war echt lang und nicht schön, weil die Transportfirma schlecht vorbereitet war für Tiertransporte. Als ich dann endlich nach einer anstrengenden Fahrt in München ankam folgte das nächste Drama. Wir hielten an einem großen Parkplatz mit ganz vielen Autos. Menschen schoben komische Wägen vor sich her. Es war sehr laut und hektisch. Ich war so verängstigt, dass ich mich nicht traute aus dem Käfig auszusteigen. Der Mann musste mich da heraus zerren und weil die Tür von dem Käfig zu klein für mich war und ich mich auch noch einspreizte, war das sehr unschön für mich. Draußen wäre ich noch beinahe entwischt, weil ich aus dem Brustgeschirr schlüpfte. Aber Mommy schnappte mich ganz schnell und setzte mich flugs in ihr Auto. Tür zu, absperren und Ruhe war. Sie war richtig sauer auf den Fahrdienst. Sie hatte sich das nämlich viel schöner für mich vorgestellt. Weil es eben auch anders geht. Und die Hunde sind dann viel entspannter wenn sie ankommen. Es gibt nämlich echt gute Fahrdienste für uns Tiere und die sind ihr Geld auch wert. Und viel mehr kosten tun die auch nicht.
Ich saß nun also in unserem Auto. Das wusste ich zwar zu dem Zeitpunkt noch nicht, aber bald lernte ich das Auto zu schätzen und auch das Wort „uns“. Mommy machte draußen alles klar mit den Papieren und so. Dann kam sie und ich bekam erstmal ein passendes Brustgeschirr an, damit ich ja nicht entwischen kann, und angehängt wurde ich auch. Wir fuhren ein kleines Stück wo es etwas ruhiger war. Dort gab sie mir was zu trinken. Dann hob sie hob mich heraus und stellte mich auf den Boden. Sie meinte, vielleicht möchte ich mir ein wenig die Pfoten vertreten nach der langen Fahrt und auch pieseln. Aber das wollte ich nicht. Ich war noch völlig verschreckt. Nicht einen Zentimeter wollte ich mich bewegen. Außer unter das Auto krabbeln und verstecken. Aber das wollte Mommy nicht. Also hob sie mich wieder ins Auto und wir fuhren los, nach Hause sagte sie. Wir hatten noch eine gute Strecke hinter uns zu bringen. Bis ganz nach hinten in Bayern, in den Bayerischen Wald ging es. Die Fahrt war eine echte Wohltat. Es war gemütlich und ruhig und so konnte ich endlich schlafen.
Nach weiteren zwei Stunden waren wir am Ziel. Insgesamt bin ich 1765 km gefahren. Es war schon fast Abend und ich war bereits seit über 20 Stunden unterwegs. Wir hielten bei einem Haus mit Garten. Es sah so ganz anders aus als ich es gewohnt war. Es roch auch ganz anders als bei mir in Italien. Und es wartete die nächste Überraschung auf mich. Mom hob mich wieder aus dem Auto, weil selber wollte ich nicht aussteigen. Als ich so auf dem Gras stand und mich vorsichtig umschaute, kam eine Schäferhündin um die Ecke und ein weiterer Zweibeiner. Das waren Luna und Oma (also die Mama von Mom). Die wollten natürlich auch Hallo zu mir sagen. Mom sorgte dafür, dass Oma sich etwas zurück hielt. Ein Thema, das übrigens noch öfters eine Rolle spielen sollte. Aber dazu werde ich ein anderes Mal was schreiben. Luna war ganz vorsichtig und lies mich auch in Ruhe. So konnte ich sie unauffällig beäugen. Dann beschnupperten wir uns das erste Mal. Wer jetzt denkt, ich wäre super froh gewesen, irrt sich. Mir war alles zuviel. Weg von meinem bisherigen Leben, die lange und blöde Fahrt und jetzt irgendwo ganz im Fremden, wo ich nichts und niemanden kannte. Ich pieselte kurz und da ich mich weiterhin weigerte auch nur einen Schritt zu machen, trug mich Mommy ins Haus.
Und damit ich ja nicht versehentlich entwischte wurde, übrigens auch in den nächsten Monaten, die Haustür abgesperrt. Drinnen war es dann doch interessant. Mommy war neben mir und hielt mich zuerst noch an der Leine. So konnte ich mir alles in Ruhe anschauen. Nach einer Weile wurde ich abgeleint. Das Brustgeschirr behielt ich aber an und zur weiteren Sicherheit bekam ich auch ein Halsband um. Aber das störte mich nicht. Dann, so ganz langsam traute ich mich auch im Haus umher zu gehen. Also unser Haus ist ja nicht groß und so war das recht einfach und überschaubar für mich. Mommy lies mich dabei in Ruhe. Das fand ich echt gut. Und während ich auf Entdeckungstour war, machte sie irgendwas in der Küche. Das ist der Raum, wo unser Futter hergerichtet wird. Das lernte ich ganz schnell. Und genau das machte sie während im mich umschaute. Wie ihr wisst, können wir Hunde ja sehr gut riechen. Und so bekam ich auf einmal einen mega leckeren Geruch in die Nase. Natürlich musste ich dann auch in die Küche schauen. Seht ihr, so schnell lernt ma, wie wichtig die Küche ist. Mommy trug dann zwei Näpfe ins Wohnzimmer. Dort sind nämlich unsere Futterplätze. Und ich bekam meinen ersten eigenen Napf. Boah roch das gut und es schmeckte fantastisch. Richtiges Fleisch mit Nudeln und Gemüse. Ratzfatz hatte ich das in meinem Bäuchlein. Am liebsten hätte ich noch mehr gehabt, aber gab es nicht. Dafür danach noch was Leckeres zum Knabbern. Und niemand hat es mir streitig gemacht. So kannte ich das gar nicht. Mommy musste auch nicht aufpassen, dass Luna es mir weg nahm. Das fand ich echt nett von Luna. Ich musste es später noch lernen.
Nach dem Essen war erst Mal wieder Ruhe angesagt. Ich machte es wie Luna und legte mich hin. Und da waren ganz viele weiche Plätze. Mehr als ich Krallen an einer Pfote habe. Die waren alle für uns. Ich konnte mir also aussuchen wo ich lag. Ich nahm den erst besten weichen Platz und schlummerte ein. Und da alles ruhig war und kein Gebell konnte ich gut schlafen. Als ich wieder aufwachte war es schon fast dunkel. Mommy wollte mit mir raus gehen, aber da ich nicht wusste was kommen sollte, traute ich mich nicht mit ihr mitzugehen. Daher trug sie mich wieder. Wie gut für sie, dass ich nicht so groß und schwer war wie Luna. Sonst hätte sie echt viel Mühe gehabt. Draußen auf dem Rasen stellte sie mich wieder hin. Doch umher gehen wollte ich immer noch nicht. Ganz im Gegenteil. Ich kauerte mich wieder am Boden. Nur eben mal pieseln ging. Also trug sie mich wieder hinein. Drinnen war ich dann gleich viel mutiger und konnte mich auch frei bewegen. Mommy meinte, das wird schon werden. Das hätte damit zu tun, dass ich bei der Übergabe soviel Angst gehabt habe, wo sie mich aus dem Transporter zerrten. Wie gut, dass Mommy mich nicht raus gezerrt hat, sonst hätte ich vor ihr auch viel Angst gehabt. Das war echt schlau von ihr. Bald darauf gingen wir in ein weiteres Zimmer, das Schlafzimmer. Da gab es für Jeden von uns ein Körbchen. Das von Mommy ist übrigens am größten. Und weil wir Alle recht müde und erschöpft waren, sind wir auch bald eingeschlummert. Das war mein erster Tag in meinem neuen Leben.
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