Nachdem das mit dem Raus gehen auch klappte, drehten wir immer größere Runden. Die ersten Wochen lief ich immer an einer langen Leine. So konnte ich überall schnüffeln und schauen und beobachten. Ich lernte, wenn Mom in eine Richtung zeigte und sich dahin drehte, dass wir auch dahin gingen. Und weil die Leine so lang war, gab es auch kein Zerren und Ziehen. Das war sehr angenehm. Dadurch lernte ich quasi ganz nebenher an der Leine zu gehen. Wenn wir unterwegs waren, dann war es immer sehr spannend. Und wenn ich etwas bemerkte, blieb Mom auch immer stehen und schaute mit. Das ist echt voll nützlich, wenn dein Mensch so aufmerksam ist. Außerdem macht das viel mehr Spaß, wenn man zusammen draußen unterwegs ist.
Ich lernte aber auch so Sachen wie auf einen Felsen zu krabbeln oder auf Baumstämmen, die am Boden liegen, zu balancieren. Oder das Grundstück nicht zu verlassen. Das hat ein bisschen gedauert. Und wenn bei unserem Nachbarn was ganz Leckeres auf dem Kompost liegt, dann kann es schon passieren, dass ich da auch Heute noch vergesse wo unsere Grenze ist. Aber das ist fast gar nicht mehr der Fall. Und dann lernte ich auch, dass mir nicht alles gehört was in unserem Haus ist und welche Regeln gelten. Ok, Moms Hausschuhe durfte ich irgendwann behalten. Die habe ich immer noch, liegen in meiner Spielzeugkiste. Aber z.B. Bücher, die gehören Mom und angenagt werden die nicht. Wenn man auf dem Sofa liegen möchte muss man sich benehmen, sonst fliegt man runter. Die alte Luna wird nicht angeknurrt, nur weil sie gerade vorbei geht und man sich gestört fühlt. Und ich lernte auch zu Spielen. Das macht viel Spaß. Gerne zerre ich mit Mom an einem dicken Seil. Oder Mom wirft etwas weg und ich laufe hinterher und hole es. Fangen kann ich auch. Am liebsten meinen Plüschteddy oder Hundekekse. Da kommt es aber auch immer darauf an, wie gut Mom wirft. Ist jetzt nicht gerade ihre Kernkompetenz.
Nach einigen Wochen wusste ich, dass wir immer zusammen unsere Runden drehen und sie fing an die Leine nicht mehr ständig in der Hand zu halten. Dadurch konnte ich dann größere Kreise ziehen. Und dann kam ein besonderer Augenblick. Ich war mit Mom alleine unterwegs. Wir sind mit dem Auto, unserem Auto, welches ich mittlerweile lieb gewonnen hatte, wohin gefahren wo ich noch nicht war. Dann sind wir erst einmal ein Stück gegangen. Plötzlich sagte Mom zu mir, dass ich mal warten soll, also blieb ich stehen. Das ist übrigens auch mega wichtig, dass man das kann. Weil manchmal trödeln die Zweibeiner hinterher oder wenn man die Straße überquert ist das auch wichtig.
Dann machte sie einfach meine Leine ab. Boah, ich weiß jetzt nicht, wer von uns Beiden in dem Augenblick weichere Knie hatte. Ich guckte Mom an, sie mich und dann lief ich los. Ein ganzes Stück voraus, blieb stehen und grinste sie an. Mom grinste zurück und ich kam angeflogen. Und dann zeigte ich ihr mal, wie schnell ich laufen kann. Ich glaube, da wurde ihr ein wenig schwindlig dabei. Ich bin nämlich schnell wie der Wind. Das war echt schön. Jetzt laufe ich die meiste Zeit frei. Aber bis dahin blieb ich noch oft an der Leine. Heute bin ich angeleint, wenn einfach zuviel Verkehr ist oder ich oder Mom müde sind und wir nicht mehr so gut aufeinander achten können. Oder wenn mir etwas große Angst macht. Weil dann kann ich mich nicht mehr auf Mom konzentrieren und neige dazu zu flüchten. Ich weiß zwar in dem Augenblick nicht wohin, aber einfach nur weg. Und damit das nicht passiert, leint mich Mom vorher an. Mittlerweile kennt sie mich so gut, dass sie genau weiß, wann meine Öhrchen die Gefahr hören. Eigentlich bräuchte ich mich nur hinter Mom verstecken, aber das vergesse ich halt in dem Augenblick wo ich die ganz große Angst habe noch.
Das geht übrigens ganz vielen von uns Auslandshunden so. Deswegen mögen wir euch nicht weniger. Nur wir können da nicht anders und deswegen ist es so wichtig, dass darauf geachtet wird. Es laufen nämlich jedes Jahr Hunde in Angstsituationen weg. Und wenn die sich nicht mehr auskennen und völlig verängstigt und verstört herum irren, dann finden die nicht mehr zurück. Und oft trauen sie sich dann auch nicht an fremde Leute heran. Weil wir halt größtenteils auch schon unschöne Erfahrungen mit Menschen gemacht haben. Also wenn ihr einen Auslandshund habt und der ist ganz frisch da, dann lasst ihn bitte an der Leine. Solange, bis ihr ein gutes Vertrauensverhältnis habt und euch auch soweit kennt, dass ihr wisst, wann und weswegen euer Hund Angst hat und wie er dann reagiert.
Mittlerweile bin ich ein wichtiger Begleiter für Mom auf ihren Wanderungen. Weil ich ja viel besser höre und sehe kann ich ihr immer Bescheid geben, wenn etwas ist. Und es ist auch immer etwas los. Mal kommen uns Wanderer entgegen oder Radfahrer oder es steht ein Reh in der Nähe. Kein Problem für mich, ich zeige es Mom und sie entscheidet dann was wir tun. Das war das Wichtigste in meiner Schulzeit. Das ich lernte aufmerksam und achtsam zu sein. Das hat übrigens schon auch gedauert mit den Waldbewohnern. Weil zuerst dachte ich ja, dass ich das selber regeln muss. Da musste ich eben noch oft an der Leine gehen.
Ich bekam übrigens auch einen neuen Namen. Denn in Italien hieß ich Lula. Aber da es hier ja schon die Luna gab, war das ein bisschen doof. Und so bekam ich den Namen Finja. Den finde ich auch viel schöner.
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